Bild reiste zum Mond
Weinfelder Künstlerin gewinnt Wettbewerb
Esther Huser erlangte weltweite Aufmerksamkeit, nach dem sie einen internationalen Kunstwettbewerb gewann. Der Preis: das Siegerbild reist zum Mond.
Künstlerin Esther Huser aus Weinfelden.
Esther Huser erlangte weltweite Aufmerksamkeit, nach dem sie einen internationalen Kunstwettbewerb gewann. Der Preis: das Siegerbild reist zum Mond.
«Ich hol Ihnen schnell eine Tasse Tee», bietet mir Esther Huser an und verschwindet die Treppe hoch Richtung Küche. Ob ich mich bereits etwas umschauen darf, rufe ich ihr nach und erhalte als Antwort «Na klar! Gerne» Das Atelier der Künstlerin ist auf drei Räume aufgeteilt und befindet sich im Untergeschoss ihres Hauses in Weinfelden. Ich entscheide mich intuitiv für das kleinste Zimmer. Ich stosse ein «Phu» aus und kann langsam einschätzen, mit was für eine Art Künstlerin ich mich in der nächsten Stunde unterhalten werde: Einer aussergewöhnlichen. Ich beuge mich vorsichtig über ein Blatt Papier und kneife die Augen zusammen und möglichst viele der filigranen Details der gemalten Käfer zu erkennen. Zeitgenössischer Realismus, denke ich. Ein besonderes Motiv. Dass Krabbeltiere so wunderschön sein können, hätte ich nicht gedacht. Der Gedanke daran, dass ich niesen muss und die Tiere vor meinen Augen verwässern, lässt mich schnell den Kopf heben. Ich blicke in die freundlichen Augen von Esther Huser, die mich bei meinen ersten Begutachtungen mit einem Lächeln beobachtet.
In den letzten Jahren habe ich mir aus Freude an der Kunst ein «Halbwissen» angeeignet, das ein Wenig über die Werke von Picasso oder Monet hinaus geht. So kann ich die Arbeit von Esther Huser einen Hauch einschätzen. Ich bin überrascht, dass ich zuvor noch nie von ihr gehört habe. Ihr Name kenne man nicht «gross» in der Schweizer Kunstwelt, erzählt die Weinfelderin bescheiden. Die verdiente mediale Aufmerksamkeit erlange sie erst als bekannt wurde, dass eines ihrer Werke sich auf der Reise zum Mond befindet. Ich bohre etwas weiter und erfahre, dass Werke von ihr keineswegs nur in ihrem Atelier hängen, sondern in grossen Galerien und Museen unter anderem in Barcelona, Venedig, New York oder Denver ausgestellt werden. Denn Huser malt sich regelmässig mit einem ihrer Werke ins Finale von Kunstwettbewerben. Als Gewinn gibt es keine Geldpreise, sondern die Möglichkeit, das Siegerwerk auszustellen. Sie scheint sich nicht vollends bewusst zu sein, wie sehr ihre Kunst «gefeiert» wird. Eine Situation zum Verständnis: Esther, wir duzen uns jetzt, erzählt mir am Rande, dass eines ihrer Werke bei Sotheby’s versteigert wurde. Ich werde hellhörig und berichte, wie oft ich bereits meinem Lieblingsauktionator dabei zuschaute, wie er die Werke der grössten Maler versteigerte, und ergänze, dass ich diesen höchst charmant finde. Esther nimmt ihr Handy und googelt seinen Namen. «Ah, der hat die Eröffnungsrede der Auktion gehalten», sagt sie ganz nebenbei und ist sich scheinbar nicht bewusst, dass dieser das Aushängeschild des grössten Auktionshauses der Welt ist. Meine Sympathie ihr gegenüber wächst von Minute, nein, von Sekunde zu Sekunde. Einen so begabten und dabei so bescheidenen Menschen, habe ich noch nie getroffen. Sie denkt etwas wehmütig an die Auktion zurück. «Es ist das einzige Werk, von dem ich nicht weiss, wem es gehört, wo es hängt», sagt sie. Eine Weile davor erzählte sie mir, dass sie keine emotionale Bildung zu ihren Bildern hat und ihr der Verkauf nicht schwerfalle. So hake ich nach und frage, warum ihr genau dieses Werk so wichtig ist. Sie überlegt kurz und antwortet dann bedacht: «Ich denke es geht nicht um das Bild, sondern darum, dass ich nicht weiss, wo es ist.»
Üblicherweise liefert sie ihre Werke selber aus, berät die Kunden beim Entscheid, wo dieses hängen soll, und fragt auch gerne nach, ob es ihnen immer noch Freude bereitet. Vermissen täte sie die Werke nicht, der Gedanke daran, dass es ihnen «gut geht», ist ihr scheinbar wichtig. Gewisse Emotionen spielen also doch mit, was mich irgendwie beruhigt. Denn wer Stunden, Tage, Wochen oder sogar Monate mit einem Kunstwerk verbringt, quasi mit ihm als Künstlerin wächst, muss doch eine Verbindung zu diesem habe, fragte ich mich zuvor.
Ich sehe mich weiter im Raum um und mir stockt der Atem. «1300 Insekten und Blüten», sagt sie und scheint zu wissen, was ich denke. Auf 1,5 Quadratmetern in der Tat Hunderte von so detailgetreu gemalten Sujets, dass ich viermal hinschauen muss und mir dann immer noch nicht sicher bin, ob es eine Fotografie oder wirklich eine Zeichnung ist. Jede einzelne Blüte, jedes Blättchen, jede Ameise oder jeder Schmetterling – all jene existieren in der Natur. Heute vielleicht verblüht oder verpuppt, doch sie entspringen nicht der Fantasie der Künstlerin. Eingefangen mit der Kamera setzte Esther die Fötelis auf Photoshop zusammen und malte dann die Collage. Ein unfassbar aufwendiger Prozess der fast gleich viel Zeit beansprucht wie das Malen selbst.
Wie besuchen das Atelier im Nebenzimmer. «Ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit Kohl.» In dieser Sekunde überlege ich, was die Mehrzahl von Kohl ist, und frage Google. In der Tat ebenfalls Kohl. Klingt komisch aber jenu. Mehrere Bilder von Kohl – wirklich merkwürdig – reihen sich nebeneinander. Wenn dieser roh lecker schmecken würde, würde man am liebsten reinbeissen, so detailgetreu sind auch diese Werke. «Mainstream» ist definitiv nicht ihr Ding. Sie malt, was ihr gefällt und nicht, was den potenziellen Kunden gefallen könnte. Und doch lieben sie es. Das nenne ich Leidenschaft zur Kunst.
Im Rahmen des weltweit ausgeschriebenen ‘Art Renewal Wettbewerbs’ wurde ihr Bild in den Lunar Codex, «The Codex Nova Collection», aufgenommen. Ihr Kunstwerk befindet sich in einer Zeitkapsel auf dem Mond, die in digitaler Form an Bord einer Landefähre der Falcon9 Rakete auf dem Mond deponiert wurde. Am 14. Februar machte sich die Rakete vom Space Center in Florida auf den Weg. «Die Teilnehmenden des Wettbewerbs wussten nicht, dass die Gewinnerbilder auf den Mond fliegen», so Esther Huser. Die Vorstellung, dass ihr Werk 380'000 Kilometer von ihr entfernt auf dem hellsten Himmelskörper ist, beeindruckt die Künstlerin.
Von Desirée Müller
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