Die Gräber würden nach Mekka zeigen und wären einen halben Meter länger - ansonsten unterscheiden sie sich nicht von den anderen.
09.01.2025 10:02
Bevölkerung soll über Friedhofsreglement entscheiden
Das angepasste Friedhofsreglement passt nicht allen
Das Friedhofreglement wurde in zweiter Lesung im Stadtparlament beraten und mit der Schlussabstimmung grossmehrheitlich angenommen. Künftig soll es ein abgegrenztes Gräberfeld nach islamischer Tradition geben. Dies gefällt nicht allen: Die Entscheidung soll vors Volk, sagt ein Komitee. Noch bis zum 20. Januar läuft die Unterschriftensammlung für ein Referendum.
Weinfelden Am 19. Dezember 2024 hat das Weinfelder Parlament mit 24 Ja- zu 4 Nein- Stimmen in zweiter Lesung das Friedhofreglement beraten und genehmigt. Dem voran gegangen war die einstimmige Verabschiedung des Friedhofreglements durch alle Kommissionsmitglieder nach mehreren und intensiven Sitzungen. Ein Punkt ist den Stadtparlamentariern Lukas Madörin und Stefan Wolfer jedoch ein Dorn im Auge. So sollen maximal acht Prozent der Gräber auf dem Weinfelder Friedhof, sprich höchstens 70 der 840, nach Mekka gerichtet und etwa einen halben Meter länger sein. Diese Spezialregelung nur für eine Religion schade der grossen Mehrheit der Muslime, die keine Sonderbehandlung wünschen, warnten die beiden Kritiker im Stadtparlament: Sie würden, im Tod wie im Leben, nicht in die Gemeinde integriert, sondern separiert. Zu ergänzen gilt es, dass natürlich Mitbürgerinnen und Mitbürger mit muslimischem Glauben weiterhin eine herkömmliche Bestattung wünschen können. Trotzdem finden die Reglements- Gegner: «Bei einer so wichtigen Frage muss das Volk das letzte Wort haben », fordern die Stadtparlamentarier Wolfer und Madörin, letzterer hat nun mit seiner Partei das Referendum angeregt. Bis zum 20. Januar sammeln sie Unterschriften.
Menschen im Zentrum
Alexandra Beck, Angela Testa und Simon Engeli verstehen die Reaktion ihrer Parlamentskollegen nicht. Jede zehnte Weinfelderin oder Weinfelder lebt nach muslimischem Glauben. «Viele davon in zweiter oder dritter Generation. Weinfelden ist ihre Heimat, sie leben hier und zahlen Steuern», sagt Stadtparlamentarierin Alexandra Beck. «Die Menschen und ihre Traditionen und nicht Religionen stehen im Zentrum. Der Verlust von lieben Menschen ist für alle sehr schwer. Mit der Schaffung eines Grabfeldes nach islamischer Tradition können wir die Religionsfreiheit bzw. die Umsetzung von Traditionen für alle bis in den Tod gewährleisten», kontert Alexandra Beck. Oder wie es der Artikel 1 im Friedhofreglement auch sagt: «Alle Glaubensrichtungen und auch nicht religiöse Personen sollen auf dem Friedhof Weinfelden nach Massgabe dieses Reglements eine letzte Ruhestätte finden können. »
Bevor man das Referendum unterschreibt müsse man sich bewusst sein, dass so alle Anpassungen im Friedhofsreglement hinfällig würden: «Dabei wurde unter anderem berücksichtigt, dass Einwohnerinnen und Einwohner, die in ein auswärtiges Heim eintreten und sich dann von Weinfelden abmelden, bei ihrer Bestattung in Weinfelden nicht als Auswärtige behandelt und damit keine höhere Kosten zahlen müssen. Oder es wurde auch die Möglichkeit geschaffen, dass tot geborene Babys anonym bei den Kindergräbern im Grabfeld der Schmetterlingskinder oder in einem eigenen Kindergrab bestattet werden können.» Alles Lücken, welche in den vergangenen Jahren aufgearbeitet und auf den neusten Stand gebracht wurden. Das Grabfeld nach islamischer Tradition sei nur eine von unterschiedlichen Bestattungsarten auf dem Friedhof Weinfelden. Die Bestattung nach islamischer Tradition sei nur eine Möglichkeit, wie auch die neueste Bestattungsart: das Baumgemeinschaftsgrab. «Dabei steht die Integration dieser Bestattungsart klar im Vordergrund und es handelt sich nicht um eine Separation. » Dafür gebe es in Weinfelden genügend Platz. «Fakt ist, dass von rund 110 Todesfällen in Weinfelden pro Jahr etwa 10 bis 15 Verstorbene erdbestattet werden. Die anderen Bestattungsarten werden durch die neue Regelung nicht eingeschränkt. Städte wie Frauenfeld und Kreuzlingen machen es dazu bereits vor und verfügen über muslimische Grabfelder. Auf Nachfrage wird bestätigt, dass es bisher keinerlei Beschwerden seitens der Bevölkerung gegeben hat.
Parteien uneinig
Das Nein-Komitee hält an seiner Meinung fest: «Der bewährte Grundsatz, auf dem Friedhof der politischen Gemeinde nicht nach Religionen zu unterscheiden, würde mit der Schaffung eines abgegrenzten muslimischen Gräberfeldes durchbrochen », so Lukas Madörin. Alexandra Beck hingegen sagt: «Integration heisst Teilhabe und Teilnahme an der Gesellschaft, der Politik und der Kultur vom Lebensbeginn bis zum Tod. Der Wunsch, sich in Weinfelden bestatten zu lassen bedeutet Integration. Dies wollen wir ermöglichen und nicht verhindern. Also Nein zum Referendum gegen das Friedhofreglement».
mul