Thomas Müller, Dr. iur., Rechtsberatung
Bin ich dem Inkassobüro Rechenschaft schuldig?
Frage: Vor einem Monat bezahlte ich am Postschalter die Rechnung einer Speditionsfirma über 58.85 Franken, herrührend von einem Online-Einkauf im Ausland. Eine Woche später lag ein Schreiben eines Inkassobüros in meinem Briefkasten. Darin stand, das Dossier sei ihm von der Speditionsfirma übergeben worden, um den offenen Betrag einzutreiben. Der Gesamtbetrag belief sich nun plötzlich auf 145.75 Franken. Zusätzlich zur ursprünglichen Forderung verlangte das Büro «Inkassogebühren», «Bearbeitungsgebühren» und Verzugszins. Da ich mich weigerte, zu zahlen, wurde ich ultimativ aufgefordert, einen Zahlungsbeleg vorzulegen. Offenbar hatte mich das Büro auch bereits bei einer Auskunftei angeschwärzt. Jedenfalls heisst es in dem Brief: «Ihr Name ist zurzeit nicht Ihre beste Visitenkarte. Wegen dieser Streitsache befindet er sich in einer der grössten negativen Datenbanken Europas.» Das ist ein starkes Stück! Bin ich verpflichtet, eine Kopie des Einzahlungsbelegs einzureichen? Und kann ich für meine Umtriebe ebenfalls eine Entschädigung fordern, wie es das Inkassobüro tut?
Antwort: Letzteres ist eine originelle Idee, hat aber einen Haken: Ihre Spesenrechnung wäre ebenso schwierig durchzusetzen wie jene des Inkassobüros. Einen solchen Schaden muss man nachweisen können, und mehr als ein paar Franken für das Kopieren und Versenden des Belegs lägen wohl nicht drin. Auch Inkassobüros dürfen höchstens 20 bis 30 Franken für das Ausdrucken und Versenden von Standardbriefen verrechnen. Und auch das nur, wenn sie beweisen können, dass der gesetzliche Verzugszins von 5 Prozent pro Jahr ab der ersten Mahnung den Aufwand nicht deckt.
Klar ist, dass Sie dem Inkassobüro keine Rechenschaft schulden, also keine Quittung einreichen müssen, solange es nicht beweist, dass es im Auftrag der Speditionsfirma handelt. Dazu kann es entweder eine Vollmacht vorlegen oder eine Abtretungserklärung (Zession). Im Alltag weisen Inkassoinstitute ihre Berechtigung praktisch nie von sich aus nach. Adressanten solcher Briefe sollten daher eine Vollmacht oder Zession verlangen, bevor sie sich auf Diskussionen einlassen.
Falls das Inkassobüro Sie wegen der bereits bezahlten Rechnung tatsächlich bei einer Bonitätsdatenbank verunglimpft hat, wäre dies wohl strafbar. Die Aussage im Brief könnte aber auch eine leere Drohung sein. Zur Kontrolle holen Sie am besten bei ein paar grossen Wirtschaftsauskunfteien Auskünfte über sich selber ein. Einen Musterbrief dafür finden Sie auf der Website des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (edoeb.admin.ch).
Thomas Müller, Dr. iur.
Niederneunforn TG
Tel. 043 535 00 00
Leser-Reporter
Hast Du etwas Spannendes beobachtet?
Sende uns ein Bild oder Video! Bild hochladen