12.03.2025 16:00
Zwischen Ethik, Wirtschaftlichkeit und Verbraucherakzeptanz
Die Eierproduzenten stehen unter Druck
Ab 2026 ist das Vergasen männlicher Küken in der Schweiz verboten. Die Branche setzt auf neue Methoden. Von der Bruderhahnaufzucht bei Bioproduzenten bis zur In-Ovo Geschlechtsbestimmung bei konventionellen Betrieben. Eine grosse Herausforderung auch für regionale Eierproduzenten. Die Eierproduzenten stehen unter Druck. Die Gesellschaft fordert, dass keine männliche Küken mehr nach dem Schlüpfen getötet werden dürfen. Dies wird Ende Jahr der Fall sein. Bei Bio- wie auch konventionellen Eiern. Dies hat Folgen.
Region Dank der In-Ovo Technologie (siehe Infobox) wird bereits im Ei das Geschlecht festgestellt und die männlichen Embryonen nicht weiter ausgebrütet. Somit schlüpfen nur Hennen. Bio-Suisse stellt sich aber gegen diese vielversprechende Methode, welche noch in den Kinderschuhen steckt, und setzt auf die aufwendige Aufzucht der Bruderhähne. Bei diesem Prinzip werden die «Brüder» der Legehennen aufgezogen, gemästet und als Geflügelfleisch vermarktet. Bio-Betriebe müssen sich also ganz neu ausrichten.
Während konventionelle Betriebe dank der In-Ovo Methode männliche Küken-Embryonen frühzeitig aussortieren, müssen Bio-Landwirte Lösungen für die Aufzucht der männlichen Küken finden. Ob dies wirtschaftlich tragbar ist, bezweifeln die Betroffenen. Die Geflügelbranche steht vor einer tiefgreifenden Veränderung. Seitdem das Kükenschreddern 2020 in der Schweiz untersagt wurde, hat die In-Ovo-Geschlechtsbestimmung an Bedeutung gewonnen. Diese Technologie erkennt das Geschlecht bereits am elften Bruttag – laut Studien ohne Schmerzempfinden der Embryonen. Bio-Suisse lehnt diese Methode dennoch ab. Die Organisation setzt stattdessen auf die Bruderhahnaufzucht, was für viele Bio-Betriebe enorme Herausforderungen mit sich bringt. Nicht unerheblich sind die Kosten, vor allem für Betriebe mit hohem Eierverbrauch wie die Gastronomie: die Preise steigen bei konventionellen Eiern um 1.5 Rappen, bei Bio-Eiern um 5 Rappen. Diese Preiserhöhung wird von manch einem Bauern ausgenutzt. So erfährt unser Blatt, dass ein Landwirt in der Region, Eier von einem Produzenten bezieht und diese in seiner Wohngemeinde weiterverkauft. In einem Schreiben an seine Kundschaft teilt er mit, dass aufgrund der neuen Technologie die Stückpreise der Eier um fünf Rappen steigen. Gefragt, ob er denn Bio-Eier verkauft, verneint er zögernd, berichtet aber von höheren Kosten für Fahrzeug und Benzin, für das Ausliefern der Eier.
Hürden der Bruderhahnaufzucht
Bei der Bruderhahnaufzucht werden die männlichen Küken der leistungsstarken Legehennen aufgezogen. Doch männliche Küken wachsen langsamer, benötigen mehr Futter und sind für die Fleischproduktion weniger rentabel als Masthähnchen. Dies führt zu höheren Preisen für Bio-Eier und -Fleisch, die nicht jeder Verbraucher bereit ist zu zahlen. «Die neuen Regelungen wurden eingeführt, weil Kunden sie forderten. Doch ob die Bruderhahnaufzucht langfristig tragfähig ist, bleibt fraglich», sagt Andreas Hofstetter, der in Märstetten einen Aufzuchtbetrieb führt. Seine Aufgabe ist es, die Küken in den ersten 18 Wochen aufzuziehen, bevor sie in Legebetriebe wechseln. Auch Andreas Olbrecht von «Oli’s Bio-Hühnerfarm» in Siegershausen steht vor neuen Herausforderungen: «Bruderhähne wirtschaftlich zu integrieren, bedeutet neue Stallungen und ein überarbeitetes Konzept bei den Aufzüchtern.» Zwar ist für ihn ein Verzicht auf das Bio-Label keine Option, doch die Zukunft bleibt ungewiss. «Ob eine verpflichtende Bruderhahnaufzucht kommt, wissen wir noch nicht.»
Eine Lösung mit Kompromissen
Ein weiteres Modell sind Zweinutzungsrassen: Hennen legen Eier, während die Hähne gemästet werden. Doch auch hier gibt es wirtschaftliche Einwände. «Diese Tiere legen weniger Eier bei gleichem Futterverbrauch und liefern weniger Fleisch als Masthähnchen», erklärt Olbrecht. Hinzu kommt eine eher unerwartete Auswirkung: Weisse Eier werden vom Biomarkt verschwinden, da die weisse Rasse nicht dafür geeignet ist. «Braune Eier lassen sich schwerer färben – das verändert das Ostergeschäft.» Timon Schwarz vom Hof «Natürlich Schwarz» aus Tägerwilen setzt auf ein anderes Konzept: Zweitnutzungshennen. «Nach einem Jahr hören Legehennen auf zu legen, erneuern ihr Gefieder und starten nach ein bis vier Monaten erneut – mit geringerer, aber noch immer hoher Leistung.» Doch der Markt funktioniert anders: Vor der ersten Mauser werden Hennen meist ausgestallt, um eine gleichmässige Eierproduktion zu sichern. Gerade um Ostern oder Weihnachten muss das Angebot zur Nachfrage passen. Ob Bruderhahnaufzucht, Zweitnutzungshennen oder alternative Modelle – eine einheitliche Lösung gibt es noch nicht. Klar ist jedoch: Der Wandel in der Geflügelbranche wird massgeblich von den Entscheidungen der Konsumenten geprägt.
Bio-Suisse hat Küken bisher vergast
Das Töten von Embryonen aus wirtschaftlichen Gründen wird seitens Bio-Suisse als ethisch problematisch angesehen. Bio Suisse betont, dass das Töten von Küken oder Embryonen aufgrund rein wirtschaftlicher Überlegungen nicht mit den Prinzipien des Biolandbaus vereinbar ist. Bis Ende 2025 werden männliche Küken bei Bio-Brütereien nach wie vor nach dem Schlüpfen vergast. Etwas scheinheilig, sagt man sich in der Branche. Ob das Töten eines Embryos verwerflicher ist, als das bisherige Töten eines geschlüpften Kükens, sei dahingestellt.
Desirée Müller
Die In-Ovo-Methode
Die In-Ovo-Methode ist ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung von Hühnerembryonen im Ei. Sie ermöglicht es, männliche Küken vor dem Schlüpfen zu identifizieren und auszusortieren, um das umstrittene Töten nach dem Schlüpfen zu vermeiden. Eine verbreitete Methode ist die Spektroskopie, bei der das Geschlecht durch Analyse bestimmter Biomarker im Ei bestimmt wird – etwa durch Hormonuntersuchung. Eine andere Technik ist die Genanalyse, bei der eine winzige Menge Flüssigkeit aus dem Ei entnommen und auf Geschlechtschromosomen untersucht wird. Moderne Verfahren arbeiten zudem mit bildgebenden Systemen, die Unterschiede im Entwicklungsverlauf der Embryonen sichtbar machen.