Karin und Thomas Jucker gehen nun auch geschäftlich getrennte Wege. zVg
29.01.2025 10:00
Wer will das Jucker's?
Das Jucker's Boutique-Hotel und Restaurant «Linde» in Tägerwilen schliesst per Ende März. Kurzfristig soll ein Investor gefunden werden, welcher den Betrieb kauft und im besten Fall unter der Leitung von Karin Jucker weiterführt. Doch die Zeit drängt.
Tägerwilen «Es war ein Schritt, der gemacht werden musste», sagt Karin Jucker. Die Schliessung des Betriebs habe verschiedene Gründe. «Thomas und ich haben uns vor fünf Jahren getrennt und verstehen uns prima. Es kommt aber die Zeit, wo man sich auch geschäftlich trennen muss. Mittlerweile haben wir uns in andere Richtungen entwickelt, haben andere Ideen und verschiedene Vorstellungen vom Leben.» Thomas Jucker habe dazu mit seiner Partnerin bereits einen anderen Betrieb in Aussicht. Ihre Zukunft sei noch ungewiss. «Die Raiffeisenbank Tägerwilen ist Besitzerin der Liegenschaft und möchte sie verkaufen. Optimal wäre für mich, wenn ein Investor gefunden würde und ich als Geschäftsführerin angestellt werde.» Denn selbstständig möchte Karin Jucker nicht mehr sein. Sie habe sich schon länger mit der Selbstständigkeit auseinander gesetzt. «Mit Corona hat sich vieles verändert, so auch die Leute. Sie sind sensibler, was den Preis anbelangt und nicht mehr so bereit zum Essen auszugehen wie früher.»
Arbeiten für «kleines Geld»
Seit der Mitteilung über die Schliessung erhielten die Juckers Dutzende von «Beileidsbekundungen». «Auch von jenen, die seit Jahren nicht mehr zu Gast waren. Das Jucker’s werde fehlen und gehöre einfach zu Tägerwilen.» Hotel und Restaurant liefen sehr gut, doch: «Als wir noch als Familie im Haus wohnten ging es uns finanziell gut. Seit der Trennung müssen zwei Parteien von den Einnahmen leben, zwei Wohnungen müssen bezahlt werden.» So mussten sich die beiden fragen, ob sie schlussendlich für «wenig Geld» einen so grossen Aufwand betreiben möchten. Sie sei nun 55 Jahre alt und denke auch an ihre Altersvorsorge.
Fehlendes Engagement der Bank
«Der Raiffeisenbank Tägerwilen ist es egal, wie die Liegenschaft künftig genutzt wird.» Nach uns die Sintflut, empfindet Karin Jucker die Einstellung der Bank. Dies sei auf eine Art auch verständlich: «Das sind Banker, keine Gastronomen oder Hoteliers.» Vor einem halben Jahr haben die Juckers den Entscheid gefasst, den Betrieb zu schliessen. «Seither war ich sehr aktiv, habe Gruppierungen in der Branche angefragt, ob Interesse an einer Übernahme besteht.» Jemand, der das Hotel weiterbringen und pushen möchte, das wäre ihr Traum. Seit 400 Jahre ist die Linde ein Gasthaus. «Der Betrieb hätte es verdient, weitergeführt zu werden.» Sie habe der Raiffeisenbank sogar einen Makler aus der Branche vermittelt. Doch sie hat das Gefühl, dass es der Besitzerin nur ums Verkaufen geht. Dominik Holderegger, Vorsitzender der Bankleitung der Raiffeisenbank Tägerwilen, nimmt Stellung. «Auf Wunsch der Pächter wurde der Pachtvertrag im gegenseitigen Einverständnis vorzeitig auf Ende März 2025 aufgelöst.» Alleine das Entgegenkommen für die frühzeitige Vertragsauflösung zeuge von Empathie. Es sei nicht ihr Bestreben, ein Restaurant und ein Hotel zu führen. Dies liege nicht in ihrer Kompetenz als Bank und sei auch nicht im Interesse der Raiffeisen-Mitglieder. Der Verkauf stehe somit klar im Vordergrund. Die Liegenschaft sei noch nicht zum Verkauf ausgeschrieben, der Preis noch nicht spruchreif. Auf biegen und brechen müsse das «Jucker’s» nicht weiterbestehen, sagt Karin Jucker. Sie ist realistisch und hat die Augen für andere Optionen offen. Seit 35 Jahren ist Karin Jucker als gelernte Kauffrau in der Hotellerie tätig. «Es wäre toll, wenn ich mein Wissen irgendwo weitergeben könnte.» Auf jedem Fall im Thurgau. «Ich habe auch einen neuen Partner und wir möchten in der Region bleiben.» Worstcase wäre, wenn Karin und Thomas Jucker das ganze Inventar «verticken» müssten, wie sie sagt. «Dieses passt perfekt hier hin. Beim Gedanken daran, am Schluss noch Möbel entsorgen zu müssen, bricht mir ein Stück weit das Herz.» Komme die Lösung mit einem Investor, der alles so übernehme wie es sei nicht zu Stande, werde dies aber Realität sein. Die Zeit ist knapp, dessen sind sich die Juckers auch bewusst.
Konkurrenz unter Schock
Hotelbesitzer in der Region zeigen sich bestürzt über die Nachricht. «Wir sind geschockt», sagt Sabine Krischanetz, Leiterin vom Hotel Restaurant Trompeterschlössle. «Wir stehen zwar im Kontakt, wussten aber nichts von der geplanten Schliessung.» Als Chance für sich sehen sie die Schliessung nicht. «Je attraktiver Tägerwilen und Gottlieben sind, umso wertvoller auch für uns.» Eine Übernahme ihrerseits sei aktuell kein Thema. Auch Sophie Schreiber und Jürgen Seifert vom Hotel Porto Sofie in Gottlieben haben die Mitteilung mit Bedauern zur Kenntnis genommen. «Als Teil der Gastronomiebranche wissen wir, wie herausfordernd diese ist und verstehen den Mut und die Vision, die hinter diesem Schritt stehen, neue Wege einzuschlagen», so Jürgen Seifert. Familie Jucker habe nicht nur mit ihrem einzigartigen Angebot und ihrem Engagement für Qualität das gastronomische Umfeld bereichert, sondern auch zahlreiche Gäste begeistert und die Gastronomie mit viel Herzblut gelebt. «Die Schliessung ist bedauerlich», sagt Katja Walser von Thurgau Tourismus. Mit seiner Qualität und Professionalität sei das Haus eine bedeutende Bereicherung für die touristische Landschaft der Region und des Kantons. «Wir hoffen, dass sich eine nachhaltige Lösung findet, damit die Einrichtung als Hotel- und Gastronomiebetrieb erhalten bleibt.»
Von Desirée Müller